Europa im Fokus, KV Ruhrgebiet

Litauen: Drei B’s für Europa

Das Land im Nordosten Europas lässt sich mit der Formel L=3xB beschreiben. Denn Litauen steht für den größten baltischen Staat, ist eine Biernation und ganz dem Basketball verfallen. Mitteleuropäer würden vielleicht auch zu dem Urteil kommen, dass das Land mit dem Ritter im Wappen eine bewegte Geschichte hat, von einer bodenständigen Kultur geprägt ist, aber auch bitterkalt sein kann. Bibber, bibber, brrr…

Beim Länderabend am 21. Februar in den Räumlichkeiten des Europe Direct Büros in der VHS Essen, nahm uns der studierte Staatswissenschaftlicher und Europarechtler Sebastian Paff mit auf eine spannende Reise durch das bevölkerungsreichste Land des Baltikums, das er im Rahmen eines Auslandssemesters und eines Praktikums gleich zweimal für längere Zeit besucht hat. Neben den wichtigsten Fakten über Land und Leute, kam ein Großteil seines Vortrags der bewegten Geschichte Litauens zu. Ebenso durften Exkurse zu Politik, Kunst, Kultur und der kulinarischen Besonderheiten des Landes nicht fehlen.

Bewegte Geschichte

Die meisten, die sich für Europa interessieren, wissen mit Sicherheit, dass Litauen seit 2004 Mitglied der EU und der Nato ist und schon seit knapp zwei Jahren mit dem Euro bezahlen darf. Die wenigsten kennen allerdings die historisch turbulenten Entwicklungen des Landes, dessen staatliche Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Sebastian skizzierte hier kenntnisreich die Beziehungen zu Polen und Russland, die heute noch nachwirken und sichtliche Spuren in Sprache und Kultur hinterlassen haben.

Enge Verbindung zu Polen

Vor allem die enge Verbindung zu Polen in der „Polnisch-Litauischen Union“ machte das Land früher zu einem der bedeutendsten Großherzogtümer Ostmitteleuropas, welches bis ins 16. Jh. seine politische und wirtschaftliche Macht gegenüber dem russischen Zarenreich aufrechterhalten konnte. Als Litauen 1795 dann doch unter russische Herrschaft fällt, ist die Glanzzeit erst einmal vorüber. Im 19. Jh. wird es komplett russifiziert, was eine radikale Tilgung aller Spuren des traditionellen Litauens bedeutete.

Wirren des 20. Jh. und Weg in die EU

Die erste Hälfte des 20. Jh. verläuft dabei ungleich schöner. So hat Litauen in den 1940ern unter einem autoritären System und im Zweiten Weltkrieg unter zahlreichen Massendeportationen zu leiden. Hinter dem Eisernen Vorhang – Churchill rückt die Melone zurecht – will sich das Land auch nicht so Recht in der Rolle eines Sowjetstaates gefallen. Es soll aber bis ins Jahr 1990 dauern, dass sich Litauen als erster Unionsstaat unabhängig erklärt und die UdSSR darauf langsam zerfällt. Der Weg in den Club Europa wird hiernach mit Tigersprüngen genommen und mittlerweile fühlen sich die Südbalten in der Eurozone relativ wohl.

Politisches System mit zersplitterten Parteien

Politisch hat man sich aktuell in einer semipräsidentiellen Demokratie eingerichtet, die laut Sebastian an einem zersplitterten Parteiensystem krankt. Häufige Regierungskrisen und wechselnde Mehrheiten sind in Litauen deshalb keine Seltenheit. Denn vielfach hängen die politischen Entscheidungen stark von einzelnen Persönlichkeiten ab. Was fehlt, ist eine ausgeprägte Parteienfamilie, mit Parteien, die mittel- bis langfristig einem bestimmten Kurs folgen. Hier hat das Land noch Nachholbedarf.

Nationalsport Basketball

Spitze sind die Litauer allerdings im Basketball. Ja, genau. Basketball. Der Sport mit den großen Jungs. Wo bei den Deutschen das Runde ins Eckige muss und eigentlich nix über König Fußball geht, streift der Litaue sich lieber ein etwas zu groß aussehendes Muskelshirt über und wirft einen ziemlich harten Ball in einen ziemlich kleinen und ziemlich hoch hängenden Korb. Bisher ist Litauen drei Mal Europameister im Basketball geworden und hat beachtliche WM- und Olympiaerfolge erzielt. Der Sport ist dabei besonders wichtig für das Nationalbewusstsein, er gilt als „Sinnbild des Kampfes für die Unabhängigkeit“, so Sebastian.
Denn heute hat man einmal wieder mehr Angst vor dem Aggressor Russland, das seine militärischen Muskelspiele im Baltikum nicht sein lassen kann.

Wie die Sportler es bei der litauischen Liebe zu Bier und fettigen Speisen allerdings schaffen, ihre Form zu halten und Topleistungen zu bringen, konnte Sebastian uns an dem Abend nicht abschließend erklären. Jedenfalls lohnt sich ein Besuch des Landes allemal. Gerade Vilnius sollte man gesehen haben. Nur bei einem Besuch im Winter gilt es sich lieber schön warm einzupacken. Da herrschen dann Minusgrade zwischen -15° und -20° Celsius.