Am Dienstag, den 24. Oktober 2017 veranstalteten wir einen Discuss Europe-Stammtisch mit dem Thema: „12,6 % Europa-Skepsis im deutschen Bundestag – die europapolitischen Positionen der Alternative für Deutschland“. Zum Auftakt unserer Discuss Europe-Veranstaltungen für dieses Semester konnten wir mit Prof. Dr. Oliver Treib vom Institut für Politikwissenschaft der Uni Münster einen renommierten Euroskeptizismus- und Populismus-Experten als Gast gewinnen. Der Parteienforscher stellte zunächst in einem Vortrag die europapolitischen Forderungen der AfD dar und diskutierte anschließend mit den rund 60 Anwesenden unter anderem über den Umgang mit der euroskeptischen Partei.
Ignorieren konnte man die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) in den vergangenen Jahren nie, seit ihrer Gründung im Jahr 2013 macht die Partei regelmäßig Schlagzeilen. Mit dem Einzug in deutschen Bundestag ist sie jedoch endgültig in der deutschen Bundespolitik angekommen. Während in vielen anderen europäischen Ländern euroskeptische Parteien bereits in den Parlamenten vertreten sind, wird der Diskurs über die Vertiefung der Europäischen Integration damit auch im deutschen Abgeordnetenhaus einen Gegenspieler erhalten.
Doch was genau fordern die Euroskeptiker der AfD? Zur ernsthaften Auseinandersetzung mit der Partei kommt man um die Kenntnis ihrer Positionen nicht herum. Am 24.10. nahmen wir deshalb die europapolitischen Forderungen der AfD in verschiedenen Politikfeldern genauer unter die Lupe und sprachen über die nun zu erwartenden Folgen für den Diskurs über die Europäische Integration – rund 60 JEFer und weitere Gäste kamen zu unserem Discuss Europe-Stammtisch im Fürstenberghaus zusammen.
Zu diesem Auftakt der Discuss Europe-Reihe im Wintersemester 17/18 war Prof. Dr. Oliver Treib vom Institut für Politikwissenschaft der WWU Münster unser Gast. Der Euroskeptizismus- und Populismus-Experte gab uns zunächst einen Überblick über die europapolitischen Forderungen der AfD. Prof. Treibs Vortrag gliederte sich dabei in mehrere Teile. Zunächst fasste er die Entstehungsgeschichte und die verschiedenen Phasen der Parteiengeschichte der AfD zusammen. Hiernach stellte er die Europa-Programmatik der Partei in verschiedenen Politikfeldern dar. Abschließend ging er auf Veränderungen der Konstanten und die Bedeutung des EU-Themas für die Partei ein.
Prof. Treib stellte zu Beginn seines Vortrags dar, wie sich die AfD in ihrer ersten Phase seit 2013 mit Lucke als Führungsfigur zunächst vor allem auf die Kritik an der Euro-Rettungspolitik fokussierte, sich jedoch dann mit den verschiedenen Führungswechseln über Petry bis hin zu Gauland und Weigel sich auch der programmatische Fokus der Partei änderte.
In Bezug auf die Europa-Programmatik fokussierte sich Prof. Treib auf drei Themenfelder. Im Bereich des Ökonomischen, also vor allem der Euro-Rettungspolitik, kritisiere die AfD das Konstrukt der Währungsunion an sich, und lege verschiedene Ausstiegs- und Umstrukturierungsforderungen vor. Prof. Treib betonte jedoch, dass eine solche ökonomische Kritik in der Sache durchaus auch von anderen, nicht AfD-nahen Ökonomen und in Teilen auch von anderen Parteien geteilt werde. Im Bereich der Kritik an Kompetenzen und Institutionen der der EU machte Prof. Treib deutlich, dass sich die AfD-Forderungen vor allem auf eine Kritik an einem Brüsseler Zentralismus, einem vermeintlichen Demokratiedefizit der EU durch eine fehlende gemeinsame Identität und eine Einschränkung der nationalen Volkssouveränität beziehen. Als Drittes stellte Prof. Treib heraus, dass insbesondere im aktuellen Wahlkampf das EU-Thema bei der AfD stark mit dem Flüchtlingsthema und der Forderung nach sicheren Außengrenzen verknüpft war. Auch die kategorische Ablehnung der EU-Mitgliedschaft der Türkei spielte hier eine Rolle.
Am Ende machte Prof. Treib nochmals deutlich, dass das EU-Thema bei der AfD im Verlauf ihrer Wahlkämpfe eher abgenommen hat. Dies wurde anhand von Diagrammen, basierend auf den Wahlprogrammen 2013 und 2017, verdeutlicht. Tatsächlich wurde in der diesjährigen Bundestagswahl lediglich ein Wahlplakat zur Europapolitik verwendet, der Fokus lag vielmehr auf dem Themenkomplex Flüchtlinge und Islam. Die Programmatik der Partei, so die These Prof. Treibs, änderte sich also im Laufe der Jahre, vereinfacht gesagt, von einer „Anti-Euro-Partei“ hin zu einer „Anti-Islam-Partei“.
Auch wenn Prof. Treib bei einigen Forderungen der AfD, besonders im ökonomischen Bereich, durchaus für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihren Forderungen plädierte, so stellte er im Abschluss nochmals klar, dass es sich bei der Partei um eine euroskeptische und rechtspopulistische Partei handelt, die sich mit ihrer Programmatik im Ganzen klar am rechten Rand bewegt.
Bei der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion ist vor allem ein Punkt zu herauszugreifen: Lebhaft besprochen wurde, wie wir als pro-europäische Organisation mit einer Partei wie der AfD umgehen sollten. Während sich einerseits gute Argument gegen eine konstruktive Auseinandersetzung mit Vertretern der euroskeptischen Partei finden, so sollte man sich andererseits spätestens nun, da sie im Bundestag vertreten ist, inhaltlich mit ihr beschäftigen. In welcher Form dies geschehen kann, werden wir in Zukunft im Kreisverband diskutieren.
Wir danken an dieser Stelle nochmals Prof. Dr. Oliver Treib herzlich für seinen Vortrag und die Diskussion! Wir werden auch in Zukunft gerne auf seine Expertise zu Euroskeptizismus und Populismus zurückkommen.