Exkursionen

Brückenbau in Mitrovica

Heute fuhren die nordrhein-westfälischen und kosovarischen JEFer nach Mitrovica, eine zwischen Kosovo-Albanern und Kosovo-Serben aufgeteilte Stadt. Wir besuchten sowohl den einen als auch den anderen Teil unter den wachsamen Augen der kosovarischen und italienischen Polizei und betraten ein sunnitisches und ein orthodoxes Gotteshaus.

Mitrovica

Bekanntlich ist der Kosovo ein multi-ethnischer Staat. Neun Zehntel der Bevölkerung sind Kosovo-Albaner, aber es gibt noch fünf weitere offiziell anerkannte ethnische Gruppen. Die größte dieser Minderheiten ist die Gruppe der Kosovo-Serben, die insbesondere den Norden des Landes bewohnt. Leider sind die Beziehungen zwischen dieser Gruppe und der Bevölkerungsmehrheit nicht immer die besten. Steingewordener Ausdruck dieser Beziehung ist die Stadt Mitrovica im Norden des Landes, in der die beiden Gruppen in säuberlich getrennten Stadtteilen leben. Diese Stadt besuchten wir heute. Um 10:30 trafen wir uns vor dem Haus, in dem wir wohnen, mit unseren kosovarischen Freunden und bestiegen zwei etwa fünfundzwanzig Jahre alte VW-Busse. Einer dieser Busse war tiefergelegt, wild bespoilert und schmückte sich mit rot lackierten Trommelbremsen. Der Andere sah normal aus, aber verfügte dafür über einen Laminatboden und einen zusätzlichen Sitzplatz – den Hocker. In Ermangelung geeigneter Gurte nicht angeschnallt machten wir uns auf den Weg und kamen nach einer Stunde der Fahrt durch die hügelige Landschaft des Kosovo in Mitrovica an.

Die Moschee und die Brücke

Die Stadt hat etwa 75.000 Einwohner und ist, ganz ähnlich wie Prishtinë, geprägt von grauen Wohnblöcken und einem Gewirr kleiner Häuser mit flachgiebeligen Dächern. Unter der fachkundigen Führung von Sara, einer kosovarischen Teilnehmerin unseres Projektes, die aus Mitrovica stammt, besichtigten wir zunächst die nach dem Kosovokrieg neu gebaute Zentralmoschee der Stadt. Der weiße, kuppelbekrönte und von zwei Minaretten flankierte Bau ist von innen bunt bemalt und, bei aller Pracht, durchaus gemütlich. Finanziert wurde der Moschee-Neubau aus der Türkei. Nach der Besichtigung der Moschee spazierten wir durch die Stadt bis an den Fluss Ibar, der die Mitrovica  durchschneidet und den von 60.000 Menschen bewohnten kosovo-albanischem vom nur ein Viertel so großen kosovo-serbischen Teil trennt. Über den Fluss führt eine Brücke, die bereits seit 2011 für den Autoverkehr gesperrt ist. Lange Jahre war sie mit Blockaden belegt, aber seit diesem Sommer wird sie repariert und soll Anfang nächsten Jahres für den Autoverkehr wieder geöffnet werden. Neben der Brücke gibt es eine kleine Fußgängerbrücke, über die man den Fluss überqueren kann. An dieser Brücke wartete die Polizei und wies uns freundlich darauf hin, dass die Situation sicher sei und man problemlos in den serbischen Teil der Stadt könne. Also überquerten wir den Fluss und trafen auf der anderen Seite die italienischen Carabinieri, die mit mehreren Beamten und gepanzerten Fahrzeugen ihren kosovarischen Kollegen zur Seite standen.

Auf der anderen Seite

Von einem Haus direkt an der Brücke blickte Wladimir Putin auf uns herab. Die Schilder waren in serbischer Sprache gehalten und die Autos hatten serbische Kennzeichen oder überhaupt keine. Bezahlt wird mit serbischem Dinar, nicht mit Euro. Viele der Menschen in diesem Teil der Stadt sind der Auffassung, dass der Kosovo zu Serbien gehöre. Sie haben oft serbische Pässe, leben nach serbischen Gesetzen und bezahlen nach Aussage unserer kosovarischen Freunde oft auch keine Steuern an den kosovarischen Staat, den sie ja als illegitim empfinden. Allerdings beginnen die Gräben langsam, sich zu schließen, und junge Kosovo-Serben erkennen oft den kosovarischen Staat an.  Dennoch waren noch einige Spuren der Gräben zu sehen. Viele Hauswände schmückten Grafittis, auf denen die USA und die EU mit Nazis gleichgesetzt wurden. Wir aber wanderten durch die Stadt den Hügel zum Bergmannsdenkmal hinauf. Dieses Denkmal stammt noch aus jugoslawischer Zeit und ehrt die Bergleute, die den Wohlstand der Stadt erarbeiteten. Heute ist der Bergbau durch den Krieg, die Teilung und Umweltprobleme zum Erliegen gekommen, aber angeblich enthält der Abraum noch so viele Seltene Erden, dass sie noch wirtschaftlich gewonnen werden könnten – wenn er nicht so schwermetallkontaminiert wäre. Auf dem Weg zum Denkmal trafen wir die kosovarische Polizei. Die Polizisten waren ethnische Serben und begleiteten uns ein Stück, um uns ein Gefühl der Sicherheit zu geben, was Sara nicht mit Begeisterung quittierte. Sie war der Auffassung, dass die Polizisten so täten, als wäre die Situation gefährlicher, als sie ist.

Ein Denkmal und eine Kirche

Nachdem wir die Ruine eines Stadions passiert hatten, kamen wir auf dem Hügel an. Das Denkmal ist ein Betonbalken, der auf zwei gewaltigen Betonsäulen ruht und im Betrachter ein Gefühl des Unbehagens hervorruft. Vom Hügel aus genossen wir einen fantastischen Blick über die Stadt und das Umland. Nach einem Gruppenfoto spazierten wir zur serbisch-orthodoxen Kirche, die ein Stück tiefer am Hang steht. Sie ist im Jahr 2005 errichtet worden, weil die alte Kirche auf der nun kosovo-albanischen Seite der Stadt liegt. Das Kircheninnere begrüßte uns mit Ikonen, Heiligenbildern und einer Kuppel im traditionellen orthodoxen Stil. Nach der Kirchenbesichtigung mit intensiver Weihrauchinhalation wanderten wir zurück über die Brücke und aßen in der Stadt. Die meisten unserer kosovarischen Freunde waren, ganz wie wir, zum ersten Mal im kosovo-serbischen Teil der Stadt gewesen. Insofern war unser Besuch ein winziger Beitrag zum innerkosovarischen Brückenbau.

Auf unserer Rückreise legten wir in Vushtrria einen Zwischenhalt ein, um dort – passend zum Thema des Tages – eine Brücke zu besichtigen, die allerdings aus dem Spätmittelalter stammte. Sie führte über nichts, denn der Fluss, den sie einst überspannte, hat längst seinen Lauf geändert. Nach einer Pause in unserer Unterkunft trafen wir uns am Abend zu einem Abschiedsessen mit unseren neugewonnenen Freunden aus dem Kosovo und ließen den Abend gemütlich ausklingen.