Die diesjährige Fahrt der JEF NRW in Zusammenarbeit mit der Jakob-Kaiser-Stiftung ging in das Zentrum der europäischen Politik – nach Brüssel. Auf dem Plan der 3-tägigen Reise vom 22. Bis zum 24. September 2016 standen dabei Besuche bei der NATO, der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union.
Start in die Brüsselfahrt am frühen Morgen
Das Programm umfasste somit eine bedeutende Menge der Organisationen, welche die Dynamik innerhalb der Europäischen Union sowie dem gesamteuropäischen Kontinent intensiv mitgestalten. Wir dagegen vermittelten auf der Hinfahrt in unserem Minibus den genau gegenteiligen Eindruck. Eher träge und schläfrig war da die vorherrschende Grundstimmung. Nun hatte dies aber vermutlich eher wenig mit unserem Desinteresse an der Thematik, sondern vielmehr mit der frühen Abfahrtszeit zu tun. Um 6 Uhr aufzustehen war dann wohl für den Großteil der Gruppe etwas zu früh. So hängt das Logo des NATO Supreme Headquarters (SHAPE) mit seinen mahnenden Worten Vigilia pretium libertatis („Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“) bereits mahnend über unseren Köpfen, als auch wir endlich richtig in den Tag starteten.
Das NATO-Headquarter: Ein Ort hinter Stacheldrahtzäunen
Am Eingang vom Headquarter wurden wir herzlichst von unserem Referenten, Oberstleutnant Claus Richter, begrüßt. Der erste Teil der Besichtigung führte uns dann sofort durch den äußeren Sicherheitsbereich des Geländes. Vom Bus aus konnten wir dabei die Behausungen, Schulen, Krankenhäuser sowie sonstige Gebäude und Einrichtungen einer typischen Stadt bewundern. Denn genau das ist dieser Bereich – ein Ort an dem bis zu 8000 NATO Mitarbeiter wohnen können. Ein Ort wie eine ganz normale Stadt, aber verborgen hinter hohen Stacheldrahtzäunen. Herr Richter versorgt uns dazu fachkundig mit einer Reihe von Anekdoten über das hiesige Leben. Weiter ging es in die nächste Sicherheitsschale mit dem eigentlichen Hauptquartier – einem funktionalen Gebäude, das architektonisch an eine übergroße Kaserne erinnert. Vorbei an dem Eingang mit den Fahnen der 28 Mitgliedsstaaten und den Bildern der Supreme Allied Commander Europe a.D. gingen wir in eine Art Kinosaal. Hier wartete ein Vortrag über die NATO, ihre Strukturen und Einsätze auf uns. Durch viele Zwischenfragen unserer Seite gingen wir aber schnell einen anderen Weg und diskutierten über Sinn und Unsinn der NATO Ostpolitik sowie über die Bildung einer europäischen Armee. Insbesondere die Beziehungen zu Russland bildeten dabei einen Schwerpunkt des Gesprächs. Zum Schluss noch einen Kaffee in der Kantine und dann ging es weiter in Richtung Brüssel.
Fun-Fakt: Brüssel hat die meisten Staus
Rechtzeitig vor der Ankunft versorgte uns Markus noch mit dem wichtigsten Fun-Fakt der Fahrt: „In keiner anderen europäischen Stadt stehen die Leute mehr im Stau“. Den Beweis lieferte die Stadt dann passender Weise sofort selber. Endlich am Hostel angekommen packten wir schnell unserer Sachen aus, gingen etwas essen und lagen dann ziemlich schnell im Bett – ein langer Tag am nächsten Morgen stand uns bevor.
Gespräch im Europaparlament mit Fokus auf dem Westbalkan
Am nächsten Morgen ging es sofort los ins Herz der europäischen Politik. Vor dem Europäischen Parlament waren wir mit Victoria Pirker, Referentin der Europaabgeordneten Ulrike Lunacek, verabredet. Nach einer kleinen Runde durch den Besuchertrakt des Parlaments saßen wir dann auf den Besucherbänken des Plenarsaals und bewunderten die vielen leeren Sitzreihen unter uns. Das Gespräch bahnte sich seinen Weg von den Arbeitsweisen der Parlamentes hin zu der politischen Lage des Kosovo und wieder zurück. Im Allgemeinen hatten wir übereinstimmend das Gefühl, dass wir von unserer Referentin mit ihrer kompetenten Art und dem fundierten Fachwissen eine Menge lernen konnten. Insbesondere was Fragen des Kosovo und der Westbalkanpolitik anging, sind wir jetzt zu Experten geworden! Nach drei Stunden waren die Köpfe erstmal voll, schnell noch ein Gruppenfoto – dann ging es weiter.
Gespräch in der Kommission über Sinn und Unsinn des Ministerrats
Von der EU Legislative ging es einen Fußmarsch weiter, zur Exekutive, der Europäischen Kommission. Hier erwartete uns Martin Saeckl, Gründungsmitglied der European Affairs Consulting Group (eacon). In einem auffällig modern gehaltenen Besprechungszimmer ging es in seiner Präsentation um die Aufgaben und Strukturen der Kommission. Aber wie zuvor zeigten wir, dass wir lieber unsere eigenen Fragen stellten, als einer (ermüdenden) Präsentation zu lauschen. So drehte sich das Gespräch schnell um das (vermeintliche oder reale) Demokratiedefizit der EU sowie Sinn und Unsinn des Rates der Europäischen Union. Folglich überzogen wir die erste Hälfte des Aufenthalts so sehr, dass für unser eigentliches Wunschthema („europäische Nachbarschaftspolitik“) zum Schluss leider nur sehr wenig Zeit blieb. Nun war aber erstmal Zeit für eine kleine Mittagspause!
Diskussion über Macht und Einfluss in der EU bei der Vertretung Deutschlands
Als letzter offizieller Programmpunkt des Abends waren wir bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU eingeladen. Der Experte für Militärfragen Bernd-Ulrich von Wegerer (Head of unit Armaments Policy and European Defence Agency) führte uns direkt zu einem, für unsere bescheidene Gruppengröße doch etwas zu großen, Besprechungsraum (leider bekamen wir auch sonst nichts vom Gebäude zusehen). Auch hier gab es zunächst eine Präsentation über die Rolle und Bedeutung der Vertretung im System der EU. Doch recht schnell zeichnete sich ab, dass es über verschiedene Themen sehr unterschiedliche Sichtweisen gab. Es war somit nicht verwunderlich, dass unser endloses Fragen- und Diskussionspotential auch hier die Überhand gewann und wir über das Pro und Contra von Lobbyismus sowie die Verteilung von Macht und Einfluss in der EU diskutierten. Insbesondere die Frage über die Größe an Einfluss der „deutsche Linie“ auf die europäische Politik führte immer wieder zu kritischen Nachfragen. Schließlich war auch unser Termin hier vorüber und recht erschöpft vom langen Tag verließen wir das Gebäude. Damit war der offizielle Teil für den Freitag beendet!
Freundschaften knüpfen mit der JEF Brüssel
Der Abend stand zur freien Verfügung. Ein Teil der Gruppe nutzte das, um die Stadt zu erkunden. Der Rest traf sich mit der JEF Brüssel in einer Bar direkt gegenüber vom Europäischen Parlament. Viel muss dazu wohl nicht gesagt werden: Bei ein paar Bier wurden im internationalen Flair der Stadt natürlich neue Freundschaften geknüpft und interessante Gespräche jedweder Couleur geführt.
Von Molenbeek bis ins Museumsviertel
Am Samstagmorgen standen wir alle früh auf, um uns zum Abschluss der Reise mit Malte Woydt auf eine Entdeckungstour durch Brüssel zu machen. Malte – von Haus aus Politikwissenschaftler und Historiker – holte uns an unserem Hotel im vieldiskutierten Stadtteil Molenbeek ab und führte uns quer durch die Stadt bis zum Museumsviertel. Es war eine Stadtführung, die uns weniger die Geschichte der Stadt, als vielmehr deren sozio-ökonomische und kulturelle Entwicklung vor Augen führte. So wurden unterwegs allerhand Vorurteile über die Stadt im Allgemeinen und Molenbeek im Speziellen ausgeräumt und wir lernten Brüssel besser als die internationale Stadt wahrzunehmen, die sie ist: mit all ihrer Dynamik und ihren Problemen. Nach vier Stunden Stadtführung gingen wir erschöpft aber zufrieden zurück zum Bus. Brüssel verabschiedete sich dann noch einmal mit seinem Straßenchaos und wir machten auf der Fahrt das, was wir dabei am besten konnten: schlafen.