Exkursionen

Ventotene International Seminar 2017

Zum Thema “Federalism in Europe and the World – From the Monetary Union to the United States of Europe” fand im 34. Jahr das Ventotene International Seminar auf besagter Insel statt. An der diesjährigen Ausgabe nahm Maike Billen aus dem Kreisverband Düsseldorf-Duisburg teil und erzählt im Interview von ihren Erfahrungen bei dem unter Jungföderalist*innen berüchtigten Seminar.

JEF NRW-Mitglieder sind regelmäßig zu Gast auf Veranstaltungen übergeordneter oder paralleler JEF-Ebenen. Vom 3. bis zum 8. September fand auf der ehemaligen Verbannungsinsel Ventotene das Ventotene International Seminar 2017 statt, bei dem etwa 150 Teilnehmer*innen und 30 Vortragende bei rund 60 Stunden Sommer, Sonne und Föderalismus genossen. Maike Billen war dieses Jahr dabei und stellte sich gerne unseren Fragen, vielen Dank dafür!

Tim Odendahl: Wie bist du auf das Internationale Ventotene Seminar aufmerksam geworden?

Maike Billen: Ich glaube, ich bin auf das Seminar aufmerksam geworden, als ich den Kalender von JEF NRW durchgesucht habe. Zudem erschien etwas im Newsfeed bei Facebook und ich habe mit jemanden aus meinem Kreisverband gesprochen, der dabei war. Es waren also mehrere Infoquellen, die zur Bewerbung führten.

TO: Was war deine Motivation, dich zu bewerben bzw. welche Erwartungen hattest du an das Seminar?

MB: Ich habe in meinem Motivationsanschreiben mehrere Gründe genannt, die auf Englisch wohl besser klingen: Erstens, ich bin ein „EU-Fan“. Nicht im manischen Sinne. Ich befürworte die Idee hinter dem Integrationsprojekt, sehe aber auch die Schwächen und möchte daran arbeiten, dass es erfolgreich weitergeht. Zweitens, ich war Neuling. Seit Ende Februar bin ich JEF-Mitglied. Zu lange habe ich die EU passiv unterstützt. Pro oder contra EU? Das ist eine Konfliktlinie, die innerhalb von Staaten verläuft, weshalb es umso wichtiger ist, sich transnational zu organisieren. Drittens, ich war neugierig – auf das inhaltliche Programm, aber vor allem auf die Teilnehmer/innen aus Europa und der ganzen Welt. Viertens, ich brauchte Ablenkung von Arbeit und Masterarbeit. Ich sah also die Gelegenheit, mich mit Inhalten und Menschen auseinanderzusetzen, die mich zum Nachdenken anregen. Ich habe die Zeit wahnsinnig genossen und meine Erwartungen wurden übertroffen. Das Programm, nun … es gab sehr interessante Themen, die Qualität der Vorträge schwankte aber. Man muss ein Thema schon spannend präsentieren – sonst reißt man junge, übernächtigte Föderalisten nicht mit.

TO: Was konntest du mitnehmen? Wie willst du das erlernte in die politische Arbeit einbringen?

MB: Hm. Beim Seminar ging es z.B. um UN-Reformen, Europäische Verteidigung, Weltföderation, Eurozone. Man wurde von Föderalismus-Chören beschallt. Es hat mich nicht vernarrt gemacht, eher zu Selbstreflektion angeregt. Keine Frage, ich glaube, dass Föderalismus der Weg ist, den wir gehen sollten. Das haut aber nicht alle Menschen um. Mittags gab es informelle JEF Sessions, bei denen es unter anderem um Engagement ging. Valentin Dupouey Sterdyniak, Generalsekretär von JEF Europe, zitierte aus dem Manifest von Ventotene: „Einer Bewegung, die nur aus Intellektuellen besteht, wird es am Rückhalt der Massen fehlen […]. Würde sich die Bewegung dagegen allein auf das Proletariat stützen, fehlte ihr die Klarheit des Denkens […]“. Die Sprache und das Denken in Klassenbegriffen ist von damals. Ich denke auch nicht, dass JEF sich anmaßen sollten, die hellsten Köpfe einer pro-europäischen Bewegung zu sein. Aber die Grundkritik stimmt und erinnert mich an die letzte Mitgliederversammlung von JEF NRW. Münster hatte den Antrag „Strategiewechsel“ eingebracht und damit das Problem, dass in JEF bestimmte Personengruppen unterrepräsentiert sind. Ich habe kein Masterplan aus Ventotene mitgebracht. Nein, leider nicht. Es hat mich nur darin bestätigt, wie wichtig es ist, den Rückhalt für das Integrationsprojekt auszubauen.

So ein Erlebnis wie in Ventotene ist großartig. Ich wünschte, nicht nur wir würden es schätzen und davon berichten können. Ein paar konkrete Punkte habe dennoch ich mitgekritzelt: Bleibt aktiv nach außen und innen hin. Es reichen 1 bis 2 große Projekte und kleinere regelmäßige Veranstaltungen im Jahr: Europa-Festival, Straßenaktionen oder Debatten. Mitglieder sollten informiert und „belohnt“ werden. Teambuilding-Spiele, Stickers und T-Shirts stärken das Gefühl, gemeinsam an etwas Großem mitzuwirken. Man kann Mitgliederkampagnen zu Semesterbeginn planen. Man stellt Projekte und Ziele vor – bloß nicht mit Theorie abschrecken – listet Fähigkeiten auf, die gefragt sind, und das, was man lernt und erhält. Mitglieder haben verschiedene Bedürfnisse. Bei Newbies: Spaß, Grundwissen, Richtung, einfachere Aufgaben mit schnellen Ergebnissen. Nach und nach kann man die Verantwortung erhöhen. Das sind keine Innovationen, aber gute Tipps.

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* Manifest von Ventotene von Altiero Spinelli, Ernesto Rossi und Eugenio Colorni (Vorwort), in verschiedenen Sprachen abrufbar.

Wenn auch Du an einer Veranstaltung außerhalb der JEF NRW teilgenommen hast, und gerne darüber berichten möchtest, melde dich bei uns! Wir freuen uns sehr darüber, wenn wir die Vielfältigkeit unserer Bewegung etwas klarer darstellen können.

Nachtrag 1.11.2017: Maike hatte sich im Vorhinein für ein Reisestipendium, den Antonio Saggio Award, beworben und hat diesen mit ihrem Essay “Nationalism and Federalism in the era of Trump and Brexit” gewonnen. Der Text wurde in der englischen Ausgabe unseres Verbandsmagazins neben anderen Einreichungen veröffentlicht.