Stellungnahmen, United in Diversity

Corona-Krise verdeutlicht Notwendigkeit einer europäischen Sozialunion

Die Corona-Pandemie macht sichtbar, was schon seit langer Zeit im Raum steht: Menschen erfahren innerhalb der EU soziale Ungleichheit und Diskriminierung unter anderem aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft oder ökonomischen Stellung. Zeit, etwas dagegen zu unternehmen!

Einer der neuesten Meilensteine der EU zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit ist die Europäische Säule sozialer Rechte, die in zwanzig Grundsätzen unter anderem das Recht auf faire Löhne, auf eine Gesundheitsversorgung und die Gleichstellung der Geschlechter einfordert. JEF Deutschland forderte bereits in mehreren Beschlüssen, dass diese Säule für alle Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich sein und einen effektiveren Kontrollmechanismus als das derzeit genutzte „reporting system“ erhalten sollte. Dieser Forderung schließen wir uns als JEF NRW an. Denn wäre die Europäische Säule sozialer Rechte 2017 verbindlich eingeführt worden, so hätte es europäische, einklagbare Rechte gegeben, um den Sozialschutz innerhalb der Mitgliedsstaaten zu verbessern. Die Mitgliedstaaten hätten bereits seit drei Jahren an der Verbesserung des Sozialschutzes und an einer Angleichung der unterschiedlichen europäischen Gesundheitsstandards arbeiten müssen und somit hätten wir in der Corona-Pandemie eine bessere Ausgangslage gehabt. Sozialpolitik wäre schon vor Corona europäische Politik gewesen.

Prekäre Arbeitsverhältnisse sorgen in der Krise für Not

Each person’s situation is different, but for sure, the coronavirus will reveal the different realities of women and men” – beschreibt ein neuer Artikel des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) die aktuelle Situation. Innerhalb der EU sind 83% der Pflegekräfte in Altenheimen oder Heime für Menschen mit Behinderungen und weit über die Hälfte des Krankenhauspersonals weiblich und setzen sich damit in der aktuellen Krise den Gefahren einer Ansteckung permanent aus. Gleichzeitig sind diese Jobs mit am schlechtesten bezahlt. Forschungen des EIGE zeigen weiter, dass sich 27% aller Frauen und 15% aller Männer in prekären Arbeitsbedingungen befinden. Sie müssen durch Corona mit Lohnausfällen rechnen, die ihre ohnehin schon schwierige Lage verschlimmern. Betrachtet man die Zahlen für Menschen mit Migrationshintergrund, zeichnet sich ein noch drastischeres Bild: Etwa eine von drei Frauen (35%) und einer von vier Männern (24%), die nicht in der EU geboren sind, arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen. Dazu kommt die Zunahme von unbezahlter Arbeit zuhause, wie etwa der Kinderbetreuung. Neben der sich verschlimmernden finanziellen Lage mehren sich zudem die Berichte von einem Anstieg an häuslicher Gewalt und einer Überlastung der Frauenhäuser. Deswegen fordert JEF NRW die Politik auf, in ihrer Corona-Politik eine Perspektive einzunehmen, die diese unterschiedlichen Diskriminierungsformen beachtet, um langfristig etwas an sozialen Ungleichheiten zu ändern!

Sozialunion als Sicherungsinstrument einführen

In ihrer Resolution vom 09.04.2020 macht auch die JEF Europe auf diese Situation aufmerksam. Die JEF NRW schließt sich den Forderungen an die Mitgliedstaaten der EU an, Unterstützungsmaßnahmen für Eltern und insbesondere für Alleinerziehende auszubauen. 2017 waren innerhalb der EU 35% der alleinerziehenden Mütter und 28% der alleinerziehenden Väter von Armut bedroht. Hier muss finanzielle Unterstützung her! Weiterhin schließen wir uns den Forderungen von JEF Europe und EIGE an, wissenschaftliche Daten und Studien zu geschlechtsspezifischen Auswirkungen dieser Krise zu sammeln und anzufertigen. Hier geht es vor allem um die Ansteckungsraten, aber auch um ökonomische Folgen wie die Verteilung von Pflegearbeit oder das Ausmaß von häuslicher Gewalt. Solche Studien würden die bestehenden sozialen Ungleichheiten noch sichtbarer machen und helfen, die Probleme anzugehen und sich auf weitere Krisen vorzubereiten. Politiker*innen müssen die wichtige Arbeit im Gesundheitssektor, häusliche Pflegeleistungen und Haushaltsarbeit besser anerkennen und für bessere Entlohnung sorgen.

Um solchen Krisen in Zukunft zu begegnen, ist es von großer Bedeutung die Europäische Säule sozialer Rechte endlich rechtlich verbindlich für alle Mitgliedsstaaten der EU zu beschließen. Eine Sozialunion neben der Wirtschafts- und Währungsunion einzuführen, kann dazu beitragen, künftige Krisen besser koordinierbar zu machen und abzufedern, indem sich die Mitgliedsstaaten untereinander unterstützen!