Stellungnahmen

Macht die Augen auf – Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich!

Der Sturm auf das Kapitol kann keine deutlichere Warnung sein. Wir müssen auch in Europa immer wieder für sie kämpfen und gegen Angriffe verteidigen. 

Die Wahl Joe Bidens als Präsident der Vereinigten Staaten sollte am 06. Januar durch Kongress und Senat bestätigt werden. Was in der größten westlichen Demokratie normalerweise lediglich eine Formalität darstellt, nutzte Donald Trump dazu, seine Anhänger*innen aufzustacheln. Er sprach erneut von Wahlfälschung und heizte die Menge an, zum Kapitol zu ziehen. Dort eskalierte die Situation und die Anhänger*innen Donald Trumps stürmten das Gebäude, zeigten Trump- und USA-Flaggen, aber auch die Südstaatenflagge aus Zeiten des ehemaligen Bürgerkriegs. Die Sitzung musste unterbrochen werden und das Kapitol war vier Stunden gesperrt, vom Volk gewählte Abgeordnete mussten sich in Sicherheit bringen und vor dem wütenden Mob verstecken. Vier Menschen starben im Zusammenhang mit diesem „Sturm auf das Herz der Demokratie“ wie der deutsche Bundespräsident Walter Steinmeier es nannte. Mittlerweile hat Trump zugesagt, das weiße Haus freiwillig zu verlassen – erst knapp zwei Monate nach seiner Abwahl und ohne seine Abwahl anzuerkennen.  

Diese  Ausschreitungen in den USA zeigen eines ganz deutlich: westliche Demokratien sind auf Zivilgesellschaften angewiesen, die demokratische Werte teilen und verinnerlicht haben. Das wichtigste Merkmal einer Demokratie ist der friedliche Machtwechsel. Zu diesem gehört, dass die gewählte Regierung und im Falle der USA der*die gewählte Präsident*in ihre Abwahl anerkennen und freiwillig zurücktreten. Dies ist in den USA unter Donald Trump nicht passiert. Donald Trump hat seine Abwahl nicht anerkannt. Im Gegenteil, er hetzt die Bevölkerung auf und spricht von Wahlbetrug. 

Kein Einzelfall, sondern strukturelles Phänomen auch hierzulande

Im Lichte der Ereignisse im Kapitol zog Bundespräsident Steinmeier auch  den Vergleich zu Deutschland. Denn auch bei uns kam es zu einem Sturm auf den deutschen Bundestag im Zuge einer der sogenannten Querdenker-Demonstrationen, die ebenfalls die Autorität des Staates anzweifeln. Bei dem Sturm auf den Reichstag beteiligten sich maßgeblich rechtsextreme Gruppierungen, die die Rahmenbedingungen der Querdenker-Demonstration als gute Möglichkeit sehen, die Regeln unsere Demokratie in Frage zu stellen. Das symbolträchtige Bild von rechten Gruppierungen auf den Treppen des Reichstages weckte sehr unangenehme Erinnerungen an unsere eigene Vergangenheit: solche Bilder dürfen nicht wieder entstehen. Es ist kein Wunder, dass sich rechte Gruppierungen in Deutschland und den USA um Donald Trump gerade die Herzkammer der Demokratie aussuchen: die Parlamente. Dort, wo gewählte Abgeordnete zusammenkommen, die auf Zeit gewählt sind und den Willen des Volkes umsetzen. Auch wenn die Ausgangssituationen in Deutschland und in den USA anders waren – auf der deutschen Seite die Anzweiflung der Corona Gegenmaßnahmen und in den USA das Aberkennen der Präsidentschaftswahlergebnisse – kooperieren bestimmte Gruppen in beiden Ländern. So war auch in bei der Besetzung des Reichstages die rechte QAnon Bewegung beteiligt, die den Glauben verbreiten, Donald Trump sei ein gottähnlicher Retter unserer Zeit, der uns von den korrupten Eliten, dem sogenannten „tiefen Staat“ befreit, dessen Strippenzieher*innen das Blut von Kindern trinken. Donald Trump distanziert sich übrigens nicht von dieser Gruppierung und hat auch nicht ausgeschlossen, dass er tatsächlich ein solcher Retter sei.

Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa führt über den Kampf für Demokratie

Wir müssen aufwachen. Das sind keine Zufälle und solche Angriffe passieren immer gehäufter. Trotz eines Wahlsiegs von Joe Biden wird Donald Trump nicht aus dieser Welt verschwinden und wir werden es noch lange Zeit mit seinem Gedankengut zu tun haben. Es ist zentral für das Fortbestehen unserer Demokratie, dass wir uns damit auseinandersetzen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der westlichen Zivilgesellschaften das Vertrauen in lang etablierte, demokratische Institutionen verliert und sich in alternativen Gruppen zusammenschließt. Rechte Gruppierungen werden stärker in westlichen Demokratien, zweifeln immer offener unsere Werte an und Teile der alternativen Gruppen sind hierfür empfänglich. 

Dies ist für alle Demokrat*innen von höchster Bedeutung, auch gerade für die Gruppen wie JEF, die sich für ein demokratisches Europa einsetzen. Der Traum der Vereinigten Staaten von Europa in Form von einer kontinentalen Demokratie ist nur umsetzbar, wenn wir ihre Grundpfeiler immer und immer wieder erklären und gegen Angriffe verteidigen. Mit Worten, nicht mit Gewalt. Mit Argumenten, nicht mit Waffen. Doch wir müssen genauso klare Bilder in die Welt senden, wie die Besetzung des Kapitols oder des Bundestages verbreitet haben. Unsere Nachricht muss sein: wir sind demokratisch. Wir sind Viele. Wir lassen uns nicht vertreiben. Wir kämpfen genauso wie ihr, auch wenn wir eure Mittel nicht teilen.