You can find an English Version of this Article on the next page.
Seit Jahrzehnten kommt es im Konflikt um Bergkarabach im Kaukasus immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Armenien und Aserbaidschan. In den letzten Wochen eskalierte der Konflikt: Seit Ende September herrscht Krieg.
Völkerrechtlich gehören die Region Bergkarabach und die umliegenden Provinzen zu Aserbaidschan, werden seit 1994 jedoch von Armenien besetzt. Die auf diesem Gebiet ausgerufene und von Armenien gestützte Republik Arzach ist international nicht anerkannt. Gegenwärtig rücken aserbaidschanische Truppen mit politischer Unterstützung der Türkei vor und greifen die Region samt ihrer Hauptstadt Stepanakert an.
Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen gibt es nach Medienberichten auf beiden Seiten zu beklagen. Nichtsdestotrotz rückt der Konflikt in der europäischen Öffentlichkeit in den Hintergrund. Über das Leiden der Zivilgesellschaft wird kaum berichtet.
Im Kontext unseres Discuss Europe Events am 17. November „Battle for Nagorno-Karabakh – Exchange and approaches for a peaceful solution“ wollen wir auch den Menschen in Armenien, Aserbaidschan und Berg-Karabach eine Stimme geben und haben dafür mit Menschen aus den verschiedenen Gebieten über ihre aktuelle Situation gesprochen. Das heutige Gespräch wurde mit Rafael. Er ist 63 und Leiter der Deutsch-Armenischen Freundschaft (DAF) in Jerewan, Armenien, wo er auch wohnt.
Fragen von JEF NRW
Inwieweit bist du oder deine Familie vom Berg-Karabach-Konflikt betroffen?
Rafael: Ich und ganze Volk haben natürlich sehr negativ und emotional nach Ausbruch des Krieges reagiert. Dieser Krieg ist nicht gewünscht von den Aseris (Aserbaidschaner) und vom armenischen Volk, das hat geopolitische Ziele von der Führung der gegenüberliegenden Seite und der Türkei, welche ihr islamisches Kalifat weiterverbreiten wollen und dies ist eine Fortsetzung des Völkermords von 1915.
Dieser Krieg ist nicht gewünscht von den Aseris (Aserbaidschaner) und vom armenischen Volk, das hat geopolitische Ziele von der Führung der gegenüberliegenden Seite und der Türkei.
Ich wohne in Jerewan, etwa 400 Kilometer von den Gefechten in der Region entfernt. Trotz allem sieht man jeden Tag Krankenwagen durch die Straßen fahren, in den Krankenhäusern liegen viele Verwundete und man sieht ständig eintreffende Holzsärge der Gefallenen.
Wie gehst du mit diesem Krieg um? Was denkst du darüber?
Rafael: Ich bin traurig und wütend über diesen Krieg. Er hat schon Tausenden das Leben gekostet und zerstört bzw. traumatisiert jetzt schon mehrere Generationen, da es Jahre dauern wird nach einem möglichen Frieden wieder aufeinander zuzugehen.
Hast du Kontakte zu Menschen in Aserbaidschan? Wie kam es dazu? Hat sich seit dem letzten Ausbruch des Konflikts etwas daran geändert?
Rafael: Leider habe ich keine Kontakte mehr. Ich selbst bin in den 50er-Jahren in Gjandja – früher Kirovabad, zugehörig zu Aserbaidschan, geboren. Damals war sowohl Aserbaidschan als auch Armenien noch ein Teil der Sowjetunion. Seit 1989 habe ich leider keinerlei Kontakte mehr in der Region.
Siehst du Möglichkeiten für eine friedliche Konfliktlösung? Wie könnte diese aussehen?
Rafael: Die einzige Lösung, um den Frieden zu erreichen- oder wenigstens eine Waffenstille, welche von 1994 bis zu diesem Jahr gedauert hat, kann nur der weltweite Druck der Europäer, Amerikaner und Russen auf die Türkei bewirken. Ansonsten sterben weiterhin viele weitere tausend Menschen. Lasst uns weiter Gebete zum lieben Gott schicken, damit eines Tages endlich dieses Grauen aufhört.
Was erhoffst du dir von der Europäischen Union für die Lösung dieses Konfliktes?
Rafael: Zunächst erhoffe ich mir von der Europäischen Union, dass sie die türkische Politik und ihre Kriegstreiberei auf schärfste verurteilt. Sie sollen ihr Militärberater und Söldner aus Berg-Karabach zurückziehen.
Deutschland und die anderen europäischen Länder ihr Veto einlegen, Waffen an die Türkei zu verkaufen. Momentan aber merkt man, dass viele EU-Länder mit sich selbst beschäftigt sind und daher keine klare Position gegen die Türkei beziehen.
Außerdem müssen Deutschland und die anderen europäischen Länder ihr Veto einlegen, Waffen an die Türkei zu verkaufen. Momentan aber merkt man, dass viele EU-Länder mit sich selbst beschäftigt sind und daher keine klare Position gegen die Türkei beziehen. Man sollte aber nicht vergessen, dass zum Beispiel die türkische Lobby in Deutschland sehr stark ist, verständlich bei 4 Millionen Deutsch-Türken, und Deutschland daher keinen aggressiven Ton anschlagen möchte.