Auch in der Geschichte der Europäischen Union sind Frauen oft weniger sichtbar als Männer. Die „Väter Europas“ bekannter als unsere Mütter. Deshalb möchten wir an diesem Muttertag explizit den Müttern Europas Aufmerksamkeit schenken und stellen euch hier einige wenige Biografien vor.
Simone Veil
Als erste Frau die dem ersten direkt gewählten Europäischen Parlament 1979 – 1982 vorstand, prägte Simone Veil den Integrationsprozess der Europäischen Union aktiv mit. So gehörte die erste Frau an der Spitze einer EU-Institution, während Ihrer Zeit im EU-Parlament, verschiedenen wichtigen Ausschüssen für Umwelt, politische Angelegenheiten, auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und dem Unterausschuss für Menschenrechte an.
Überdies bekleidete sie den Vorsitz des Rechtsausschusses und gehörte dem Sonderausschuss zur Wiedervereinigung Deutschlands an. In ihrer politischen Arbeit, die darauf konzentriert war ein vereintes, starkes und vor allem friedliches Europa zu schaffen, gaben Ihr ihre Erfahrungen als Holocaust-Überlebende einen besonderen Fokus auf den Kampf gegen Antisemitismus und Frauenrechte. Für ihr unerbittliches Engagement für ein geeintes Europa wurde sie 1981 mit dem Karlspreis geehrt und ist neben vielen weiteren Ehrungen auch Trägerin der Auszeichnung Mérite Européen.
Simone Veil zeigte durch ihren frühen Leidensweg und ihr darauf folgendes Engagement für den europäischen Zusammenhalt, wie wertvoll die Europäische Union ist und wie wichtig der Kampf um ihre Werte ist und immer sein wird.
Nicole Fontaine
Nicole Fontaine war eine der entscheidenenden Personen auf dem Weg zu einer Charta der Grundrechte für die EU. Sie setze sich grundsätzlich für eine EU ein, die nah an der Bürger:innen ist. Im Dezember 2000 wurden ihre Bemühungen schließlich belohnt und sie durfte als damalige Präsidentin des Europäischen Parlamentes die Charter der Grundrechte im Namen des Europäischen Parlamentes unterschreiben.
Neben ihrem Einsatz für die Rechte der europäischen Bürger:innen bemühte sich Nicole Fontaine unermüdlich um Dialog und Frieden in äußeren Angelegenheiten und erreichte so beispielsweise einen historischen Handschlag zwischen den Präsidenten des israelischen und des palästinensischen Parlaments in 2000 in Straßburg. Gerade in den heutigen Zeiten, in denen Politik immer polarisierter zu werden scheint, ist es inspirierend sich an eine vermittelnde Persönlichkeit wie Nicole Fontaine zurückzuerinnern, die immer auf eine gemeinsame Lösung bedacht war und es häufig schaffte scheinbar unvereinbare Positionen an einen Tisch zu bringen.
Anna Lindh
Ylva Anna Maria Lindh trat bereits mit zwölf der sozialdemokratischen Jugend bei. Nach ihrem Jurastudium zog sie 1982 in den schwedischen Reichstag ein und wurde 1984 als erste Frau Vorsitzende des Jugendverbands der schwedischen Sozialdemokraten. 1998 wurde sie schwedische Außenministerin und trug maßgeblich dazu bei, die Rolle Schwedens innerhalb der Europäischen Union zu gestalten.
Als amtierende Ratsvorsitzende brachte sie 2001 die EU außenpolitisch auf eine Linie und half so, einen drohenden Bürgerkrieg im heutigen Nordmazedonien zu vermeiden. 2003 setzte sie sich für ein Ja in der schwedischen Volksabstimmung über die Einführung des Euro ein. Kurz vor der Abstimmung wurde sie von einem Angreifer niedergestochen und starb. Anna Lindh war bekannt für ihre direkte Art; sie zögerte nicht, in Menschenrechtsfragen offen Kritik an anderen Ländern, auch Verbündeten Schwedens, zu üben. Sie war während ihrer gesamten politischen Laufbahn eine überzeugte Europäerin.
Marga Klompé
Die Naturwissenschaftlerin und Lehrerin Marga Klompé ist zu Beginn der niederländischen Besetzung dem Widerstand als Kurierin für den Widerstandskämpfer Erzbischof Jan de Jong beigetreten. Sie erhielt 1948 einen Sitz im niederländischen Parlament und nahm an den Verhandlungen zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen teil. 1952 wurde Klompé das erste weibliche Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Vorläuferorganisation des Europäischen Parlaments.
Marga war von 1956 bis 1963 niederländische Arbeits- und Sozialministerin und damit das erste weibliche Regierungsmitglied in den Niederlanden. Für Marga Klompé war es selbstverständlich, dass eine Funktion prinzipiell genauso gut von einem Mann wie von einer Frau ausgefüllt werden konnte. Einer ihrer größten Erfolge war die Einführung eines allgemeinen Sozialhilfegesetzes.
Mehr zu den Pionierinnen der Europäischen Geschichte hat letztes Jahr treffpunkteuropa bei der EuropeanHerStory vorgestellt.
Quellen:
https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/personen/margaklompe.shtml
https://www.tagesspiegel.de/kultur/aufloesung-des-osterraetsels-2015-grosse-europaeer-und-europaeerinnen/12017816.html
https://europa.eu/european-union/about-eu/history/eu-pioneers_de
Bildrechte:
Anna Lindh & Nicole Fontaine: European Union 2019
Marga Klompé: By Collectie SPAARNESTAD PHOTO/Henk Blansjaar, CC BY-SA 3.0 nl, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11485562
Simone Veil: Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication