Stellungnahmen, United in Diversity

Lieben und Leben Lassen!

Ein fundamentales Versprechen der Europäischen Union ist, dass die Menschen in Freiheit und Gleichberechtigung leben dürfen. Hierzu gehört auch das Recht, zu lieben und zu sein, wen und wie die Person es möchte. Dieses Versprechen wird aktuell zunehmend durch besonders zwei Mitgliedstaaten gebrochen: Polen und Ungarn.

Polens LGBTI+ Community steht zunehmend unter Beschuss

In Polen erklärten sich Anfang 2019 mehr als 80 polnische Kommunen und Regionen als “frei von LGBTI-Ideologie”. LGBTI+ steht für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle Menschen. Es kommt zu Gewaltanwendungen auf Demonstrationen gegen homosexuelle Menschen und andere sexuelle Minderheiten. Aktivist*innen wie Elżbieta Podlesna und Margot werden von der Polizei festgenommen, weil sie für ein freies Land demonstrieren, das alle Menschen gleichermaßen anerkennt. Bei Demonstrationen gegen die Festnahme von Margot im August diesen Jahres wurden knapp 50 weitere Menschen festgenommen. Gegen drei wurde nun eine Anklage wegen Entweihung von Denkmälern und Verletzung religiöser Gefühle erhoben.

Unhaltbares Gesetz

Diese Festnahmen zeigen deutlich, dass es sich in Polen nicht nur um einige Regionen und Kommunen handelt, die Grundrechte missachten, sondern dass die Regierung Polens und ebenso die dort mächtige Katholische Kirche offen gegen die LGBTI+ Community vorgeht. Damit einher geht ein neues Gesetz, dass die Sexualaufklärung von Minderjährigen in Polen massiv einschränkt, wenn nicht sogar gänzlich verhindert. Eine gute Sexualaufklärung ist jedoch ein wichtiger Baustein für eine freie Gesellschaft, schafft Verständnis und Freiheit und zeigt den jungen Menschen, dass es okay ist, so zu sein, wie sie sind. Zu Recht hat das Europäische Parlament dieses Gesetz scharf kritisiert und selbst das Oberste Gericht in Polen kam zu dem Entschluss, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht mit den Unterrichtsauftrag der Schulen des Landes vereinbar sei.

Trotzdem ist das Gesetz in der ersten Lesung angenommen worden und es bleibt offen, ob es nochmal geändert oder doch in seiner jetzigen Form angenommen wird. Auch wenn sich das Europäische Parlament Ende 2019 kritisch zu der Situation für LGBTI+ Menschen in Polen äußerte, scheinen die bisherigen Anstrengungen zu gering. Polens Präsident Duda hetzte im Wahlkampf diesen Jahres weiter gegen die LGBTI+ Community, sodass Ende September 2020 50 Länder in einem offenen Brief an Polen mehr Schutz für Homosexuelle und weitere sexuelle Minderheiten forderten. Auch von der Leyen bezog in ihrer Rede zur Lage der Nation am 16. August 2020 Stellung gegen die Diskriminierung von LGBTI+ Menschen in Polen und kündigte an, eine Strategie zur Stärkung von LGBTI+ Menschen auszuarbeiten und sich für die gegenseitige Anerkennung von Familien in allen Mitgliedsstaaten einzusetzen. Dies muss geschehen, da Homo-Paare nicht in allen Mitgliedstaaten Hetero-Paaren rechtlich gleichgestellt sind. 

Verschärfung der Lage auch in Ungarn    

Auch in Ungarn verschlechtert sich die Situation für die LGBTI+ Community erheblich. Der Premier Viktor Orbán steht selbst für ein konservatives und traditionszentriertes Europa und hat 2018 ein Projekt ins Leben gerufen, in dem eine “neue kulturelle Ära” ausgerufen wurde, in der christliche und traditionelle Werte “verteidigt” würden. Hierzu gehörte auch die Abschaffung des Faches “Gender Studies” als interdisziplinäres Fach, dass sich mit Geschlechtern und Sexualität befasst. Dieses Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet, dass es trans und inter Menschen unmöglich macht, ihr Geschlecht legal auf ihren Ausweisdokumenten zu ändern. Dieses Gesetz ist ein gravierender Rückschritt für die ganze Community und verletzt die Persönlichkeitsrechte von trans und inter Menschen zutiefst. Doch die ungarische Regierung geht noch weiter und greift mittlerweile auch in die künstlerische Szene ein. So wurde ein Musical von Elton John verboten, weil es Homosexualität zelebriere oder ein Kinderbuch kritisiert, weil dort homosexuelle und trans Menschen vorkommen. 

Wir, die Jungen Europäischen Föderalisten NRW, verurteilen die öffentliche Diskriminierung sexueller Minderheiten in Polen und Ungarn und fordern die genannten Länder dazu auf, Menschen- und Grundrechte auf Basis der europäischen Menschenrechtskonvention anzuerkennen und zu respektieren.

Demnach gilt es insbesondere alle LGBTI+ freien Zonen in Polen unverzüglich aufzuheben sowie Anfeindungen und Hetze gegenüber den Betroffenen konsequent zu unterbinden und dagegen vorzugehen.

In diesem Kontext verweisen wir auf den Beschluss der JEF Deutschland vom 64. Bundeskongress 2017 zur Stärkung der (Menschen-)Rechte von LGBTQI*+ Personen und verleihen den dort genannten Forderungen an dieser Stelle Nachdruck. Ebenso begrüßen wir die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2019 in dieser Sache. Hier schließen wir uns den Forderungen des Europäischen Parlaments an: EU-Gelder dürfen nicht zur Finanzierung der Diskriminierung der LGBTI+ Community ausgegeben werden!

Der Schutz jeglicher Minderheiten sowie die Achtung der Grund- und Menschenrechte sind Kernanliegen der Jungen Europäischen Föderalisten. Die öffentliche Diskriminierung sexueller Minderheiten in Polen und Ungarn ist dabei in genannten Ländern eine weitere Distanzierung von den Grundwerten der Europäischen Union. In den vergangenen Jahren sind dort bereits rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien zunehmend ausgesetzt und beschränkt worden. Aus diesen Gründen erachten wir es als umso dringender, dass zukünftig EU-Mittel an rechtsstaatliche Bedingungen geknüpft werden und ein effektiver Rechtsstaatsmechanismus eingesetzt wird. Hiermit unterstreichen wir noch einmal unsere Forderung, dass die Rechtsstaatskonditionalität in den aktuellen Verhandlungen um den EU-Haushalt berücksichtigt und umgesetzt werden muss.